Ein weiteres Mädchen erschien nicht zur Therapie. Diesmal war der Grund allerdings verständlich: sie war krank. 
Die Mutter berichtete, dass sie mit ihrer Tochter im Krankenhaus gewesen war, sie allerdings ohne Behandlung abgewiesen wurden. 
Bine Vogel zögerte nicht. Mit ihrem Notfall-Rucksack machten wir uns auf den Weg. Nachdem wir die geteerte Straße hinter uns gelassen hatten, ging es auf buckeligen Feldwegen weiter in abgelegene Dörfer, vorbei an Quinoa-Feldern (der übrigens erst ab 3000 Meter Höhe wächst), bunt bemalten Häusern und auf den Feld arbeitenden Quechua-Indianern. 

Auf dem Weg zur Patientin
Auf dem Weg zur Patientin.

Irgendwann kam auch der Geländewagen nicht mehr weiter und wir gingen das letzte Stück Trampelpfad bis zur einfachen Hütte unserer Patientin zu Fuß. Vorher hatte uns der Fahrer noch einen Stock mitgegeben, um eventuell wilde Hunde vertreiben zu können. Der Weg ging steil den Hang hinunter und nicht selten war er durch Matsch und Schweinedreck schwer zu bewältigen. Ich fragte mich, wie die Mutter von Meradie* das jeden Tag machte, da das behinderte 14-jährige Mädchen nicht laufen kann. 

Wieder wurden wir freundlich begrüßt. Meradie lag fiebrig auf ihrem Bett. Nur für uns drehten sie eine Glühbirne in die Fassung, um das dunkle Zimmer etwas zu erleuchten. Das Haus hat drei kleine Zimmer. Die einzige vorhandene Glühbirne wird nur dann hervorgeholt, wenn sie benötigt wird. Bine Vogel hörte das kranke Mädchen ab und stellte fest, dass die Bronchien frei waren und auch die Sauerstoff-Sättigung zufriedenstellend war. Das erleichterte uns, da eine Lungenentzündung bei Kindern mit ihrer Behinderung keine Seltenheit sind und schnell zum Tode führen können. Gut, dass Bine Vogel eine ausgebildete Intensiv-Krankenschwester ist. 

Die Sauerstoff-Sättigung wird gemessen.

Wir konnten Meradie mit ersten Medikamenten versorgen und versprachen weitere Dinge am nächsten Tag durch den Fahrer bringen zu lassen. Mir wurde noch einmal bewusst, welcher Segen es ist, in Deutschland jederzeit Zugriff zu einer guten Krankenversorgung zu haben.

Wir bringen Medikamente mit.

Auch für die Familie von Meradie* konnten wir ein Zitronenbäumchen pflanzen lassen, und sie freute sich riesig darüber.

* Name geändert