Montagmorgen starteten wir mit einem Gebet. Wir beteten um Weisheit für unsere Behandlungen,  um Erkenntnis, was für die Kinder wichtig ist, für gute Begegnungen, gute Erfolge und dass die Kinder auch tatsächlich gebracht werden. Von 9 Uhr bis 18 Uhr waren stündlich je ein Kind geplant. Von Montag bis Freitag. Also wirklich eine tolle Möglichkeit der intensiven Therapie. Ganz peruanisch kam das erste Kind gleich mal nicht. Bine Vogel berichtete uns ausführlich von den verschiedenen Kinder, deren Lebensumständen und die bisher erlebten Erfolge. Einige Lebensschicksale gingen mir sehr nahe. Zum Beispiel überlebte ein behinderter Junge die Mordversuche des Vaters. Ein anderer Junge überlebte wie durch ein Wunder den Unfall mit einer Axt, der seinen Schädel spaltete. Ein weiteres behindertes Kind wurde alleine auf der Straße zurückgelassen. Erst drei oder vier Tage später wurden die Nachbarn auf den verlassenen Jungen aufmerksam und verständigten die Polizei. Heute lebt er bei seinem Großvater. Außerdem wurde uns ein Junge vorgestellt, der ein dreiviertel Jahr in Krankenhäusern war. Am Ende hatte er gegen die starken Schmerzen in der Hüfte und seinen Beinen nur Schmerzmittel bekommen. Die Ursache wurde weder gefunden noch behoben. Nach dem Krankenhausaufenthalt war er so traumatisiert, dass Bine Vogel nicht mehr mit ihm arbeiten konnte. Sobald er ins (freundlich eingerichtete) Behandlungszimmer reinkam, schrie er wie am Spieß vor Angst. Wir erfuhren auch von einem Mann, der als Jugendlicher in einer Mine arbeitete. Bis zu den Knien stand er in den Chemikalien, um Erze, Silber und Kupfer zu lösen. Alle seine Kinder sind heute behindert. Ein anderer Junge war immer sehr zurückgezogen und öffnete während der Therapie nicht die Augen. Aber er genoss es sehr zu kommen und hatte auch schon einmal gegrinst. 

Die meisten Kinder kannte Nelli, da diese in großen Abständen auch im Hospital von ihr behandelt werden. Wir wurden auf den neuesten Stand gebracht und besprachen die erzielten Erfolge und neuen Ziele.
Die ersten Begegnungen mit den Kindern haben mich tief bewegt. Sowohl Bine als auch Nelli haben eine unglaubliche Nähe und Wärme in ihren Begegnungen. Alle Kinder sind schwerst betroffen. Oft in Zuständen, wie wir sie in Deutschland noch nie gesehen haben. Viele Kinder mit Zerebralparese oder anderen Erkrankungen. In anderen Lebensumständen und anderen Ländern hätten sie bereits schon viel Therapie und Förderung erhalten. Wunderschöne Kinder voll Lust am Lernen. Eltern, die oft verzweift und ratlos sind, aber meist mit großer Liebe auf ihre Kinder schauen. Und Bine Vogel, die zu jeder Familie eine unglaublich schöne Beziehung hat, den Familien hilft, sie leitet und auch nicht davor zurückscheut, wenn einmal klare Worte gesprochen werden müssen. 

Das Zusammenspiel zwischen Nelli und mir klappte auf Anhieb gut. Da wir vorher noch nicht zusammen gearbeitet hatten, war dies nicht selbstverständlich. Wir ergänzten uns gut und ich habe schon am ersten Tag sehr viel von meiner neuen Logopädin-Kollegin gelernt. Unter anderem habe ich gemerkt, dass ich oft umdenken muss. So ist es z.B. überhaupt nicht selbstverständlich, dass das Kind im eigenen Bett schläft oder dass in dem Zimmer, in welchem die Familie wohnt, auch Platz ist, um bestimmte Übungen durchzuführen. Hier bin ich dankbar um die Erfahrung von Nelli und Bine. Es wird mir bei meiner Arbeit im Krankenhaus helfen, sensibler an manche Gespräche und Beratungen heranzugehen.  
Ich bin froh und dankbar für jede Begegnung, die ich hier erleben darf.