Am ersten Tag kamen alle einbestellten Kinder zu ihrer Therapie. Für die deutsche Denkweise ist es eine Selbstverständlichkeit: da kommen immerhin zwei Therapeuten aus Europa, die extra die fünf Stunden durch die Anden fahren, um kostenlos Therapie anzubieten. Doch längst haben wir uns an die Realität gewöhnt und wissen, dass es hier nicht selbstverständlich ist, dass die Kinder zu allen ihren Terminen gebracht werden. So sind wir Gott für den ersten Tag dankbar. 
Am zweiten Tag ging es schon „peruanischer“ zu. Nachdem auch 15 Minuten nach dem vereinbarten Termin die Geschwisterkinder nicht kamen, brachte ein Anruf Sicherheit. Die Mutter würde die Kinder nicht bringen. Am Tag zuvor hatten wir zwar diesen Termin mit ihr persönlich ausgemacht und casayohana hätte das Fahrgeld von ihrer Wohnung zum Projekt übernommen, dennoch erklärte sie uns am Telefon: „Ich muss heute Wäsche waschen …“ Ich lasse die Erklärung an dieser Stelle mal unkommentiert stehen …
Am nächsten Tag sagte sie am Telefon, als die Mitarbeiter sie rechtzeitig vor ihrem Termin anriefen, dass sie erneut nicht erscheinen könnte, da ihr Mann um 11 Uhr zum Essen kommen würde …
Ein Auto von casayohana holte sie dann aber doch noch ab, sodass sie das Haus mit ihren zwei Kindern verlassen und wir mit der Therapie fortfahren konnten.

Diese entstandenen Lücken ermöglichten es uns allerdings, zwei Kinder zu Hause zu besuchen. Für mich sind diese Besuche jedesmal eine Bereicherung. Die Beziehung zu den besuchten Familien kann wachsen und ich kann die Hintergründe viel besser verstehen. Meine Beratung, wie die Therapie zu Hause weitergeführt werden kann, wird umfangreicher, praktischer und durchführbarer. 

Wir besuchten Fernando* zu Hause. Wir meldeten uns vorher bewusst nicht an, da wir sonst eine riesige Festtafel serviert bekommen hätten. Casayohana hatte einige Monate zuvor Fernando und seiner Familie ein Grundstück und den Hausbau zum größten Teil finanziert. Dies war sehr wichtig, da die alleinerziehende Mutter mit ihren Kindern zum einen in einer sehr gewaltvollen Nachbarschaft wohnte, zum anderem musste man zur alten Wohnung viele steile Treppen mit dem schwerstbehinderten, mittlerweile großen Sohn tragend überwinden. Nicht zuletzt war es dort sehr eng und es gab keine Fenster, sodass der Junge den ganzen Tag im Dunklen saß. 

Das neue Haus

Wir klopften an und die Freude war übergroß. So freundliche, glückliche Menschen habe ich selten erlebt. Obwohl das Haus bei weitem noch nicht fertig ist, lebt die Familie dort glücklich und dankbar. Stolz wurde uns alles gezeigt. Fernando saß wie ein König würdevoll in seinem hellen Zimmer. Er schien viel aufmerksamer und wacher als bei unseren letzten Therapieeinheiten zu sein. Die Mutter erzählte stolz, dass sie ihren Sohn immer ins Freie schiebe, wenn die Sonne nicht zu stark scheinen würde.

Innere Größe kann man nicht sehen!
Der Nachbar zeigt stolz die Wasserquelle.
Hier gibt es noch keine Tür – nur das Gitter verschließt die Wohnung.

Der nächste Schritt wäre der Einbau einer Haustür und der Fenster – zur Sicherheit, damit die Familie in ihrem Haus beruhigt leben kann. Der Innenausbau muss fortgesetzt werden, damit den einzelnen Familienmitgliedern (unter anderem auch eine Tochter, die bereits schon zwei eigene Kinder hat) ein privater Rückzugsort ermöglicht wird. Auch das Dach muss dringend abgedichtet werden, damit die Kälte und Ungeziefer nicht ins Haus kommen.
Dank eurer großzügigen Spenden konnten wir den Fertigbau des Hauses mit unterstützen. Ebenso veranlassten wir den Kauf eines Zitronenbaumes, der bereits gepflanzt wurde. An dieser Stelle noch einmal ein großes Dankeschön an Triorail. 

Zum Abschluss unseres Besuches dankten wir Gott zusammen mit der gläubigen Familie für sein Wirken und baten um Schutz und Segen, natürlich in ihrer Muttersprache auf Quechua.

* Name geändert