Die Zeit vergeht wie im Flug und die erste Woche Arbeit liegt bereits hinter mir. Ich bin erfüllt und glücklich. Ich gebe zu: Ich bin auch ziemlich erschöpft. Ich kämpfe ganz schön mit der Zeitumstellung und der Höhe. Auch der Darm muss sich umstellen. Da sind viele neue Eindrücke und es gibt viele heftige Fälle, die es zu verarbeiten gilt. Ich arbeite von 8-17 Uhr und gehe dann ziemlich gleich ins Bett. Ich hoffe das wird die nächste Zeit etwas leichter.
Über den Montag habe ich bereits berichtet. Ab Dienstag hatte ich jeden Tag die Möglichkeit, den Psychologen eine kleine Fortbildung zu geben. Es ist ein tolles Team und es macht mir so richtig Spaß. In einem ersten Schritt zeige ich ihnen eine neue Technik. Dabei erkläre ich, für welche Zielgruppe ich diese Technik besonders geeignet finde, ob es mit einer Gruppe oder einzeln durchzuführen geht und welche Variationen ich mir vorstellen kann. Die Arbeit mit ihnen war sehr intensiv. Es ging unter anderem um Gefühle und Emotionen, Ressourcen und den Fragen „Woraus ziehen wir unsere Kraft? Was gibt uns Stabilität? Und was sind unsere Ziele?“. In einem zweiten Schritt überlegten wir gemeinsam, wie sich diese Arbeit auf die Therapie mit den Quechuas anwenden lässt. Wir suchten Formulierungen und Abwandlungen und verfassten zu jeder Technik ein Dokument, sodass die Arbeit nachhaltig bleibt und die Psychologen ein Schriftstück haben, in dem alle Informationen zur Verfügung stehen. Es ist wirklich ein tolles Team, mit dem ich zusammen arbeiten darf. Die Themen gingen oft sehr tief, nichtsdestotrotz ließen sich alle voll und ganz darauf ein. So konnten wir richtig tiefgehend arbeiten. An dieser Stelle möchte ich allen danken, von denen ich diese tollen Techniken gelernt habe. (Ein besonderer Dank geht an Heike!) Ich durfte bei ein paar psychologischen Sitzungen dabei sein und die eine oder andere Technik haben wir auch gleich ausprobiert.
Außerdem durfte ich ein paar Kinder behandeln. Das war auch mal wieder schön. Ich musste erst wieder etwas in diese Arbeit reinkommen. Die herzlichen Umarmungen und die strahlenden Augen der Kinder machten mir dies allerdings sehr leicht.
Einmal durfte ich mit Nelli einen Hausbesuch machen. Das dreijährige Kind verbringt die meiste Zeit mit der Mutter in der Wäscherei, in der sie arbeitet. Dort ist kaum Tageslicht und auch kein richtiger Platz zum Spielen. Spielzeug entdecken wir auch gar keines. Eine Decke liegt am Boden, wo der Junge schläft. Ein kleiner einfacher Gasherd steht in einer Ecke. Dafür gibt es verschiedene Lerntafeln mit Buchstaben und Zahlen an der Wand. In meinen Augen total unpassend. Das Kind kann noch nicht einmal sprechen oder selbstständig Essen. Die Mutter übt aber mit ihm bereits das Erkennen der verschiedenen Vokale. Die Frage, wieviel Gewinn die Wäscherei abwirft, kann die Mutter gar nicht beantworten. Nach den ungefähren Angaben vermuten wir, dass sie wohl meist ein Minusgeschäft macht.
Ich habe das leider schon öfter erlebt, dass die einfachen Menschen in Peru gar nicht genau überlegen, ob sich ihre Mühe überhaupt rentiert. Wenn sie an einem Tag viel verkauft, sind sie einfach froh. Dabei rechnen sie meist nicht gegen, wie viele Ausgaben sie zur Herstellung dieses Produkts hatten. Gar nicht davon zu sprechen, wieviel Zeit sie dafür investiert haben, ist im Hinblick unserer deutschen Denkweise unvorstellbar.
Inzwischen gibt es 3 feste Therapeutinnen bei casayohana. Mona und Ana machen Physiotherapie, Nelli die Sprachtherapie. Die Kinder haben Diagnosen wie zum Beispiel Infantile Zerebralparese („eine bleibende Störung des Haltungs- und Bewegungsapparates aufgrund einer nicht fortschreitenden Schädigung unreifen Gehirnes.“ Das heißt, meist arbeitet eine Körperseite nicht so gut wie die andere.), Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Autismus, Down-Syndrom, Entwicklungsstörungen aufgrund von chronischer Fehl- und Mangelernährung und verschiedene Syndrome (die hier in Peru oft nicht diagnostiziert werden können). Eine von den Diagnosen habe ich in Deutschland noch nie gesehen oder von ihr gehört: das Möbius-Syndrom. Im Projekt gibt es sogar 3 Kinder mit dieser Diagnose. Patienten mit dieser Erkrankung können unter anderem keine Mimik zeigen. Das bedeutet, dass man nicht sieht, ob das Kind lacht oder weint, sich erschrickt oder sich freut. Leider fehlt den Kindern daher auch der süße Gesichtsausdruck. Das gesamte Team leistet hier wirklich großartige Arbeit.
In meiner ergotherapeutische Behandlung ging es hauptsächlich um die Wahrnehmung und Feinmotorik.
Ich bin überglücklich und zufrieden über die vergangene Woche und freue mich jetzt über das bevorstehende Wochenende.