Die gesamte Bevölkerung hatte ab März 2020 strenge häusliche Quarantäne. Das Schlimme daran war, dass zwischen der Bekanntgabe der Maßnahme und der Ausführung nur 24 Stunden lagen. Das hatte zur Folge, dass sehr viele Menschen nicht mehr nach Hause fahren konnten. Viele Familien waren über viele Monate voneinander getrennt. Zum Beispiel war der 11jährige Sohn meiner Arbeitskollegin in Cusco. Er musste 5 Monate bei den Großeltern bleiben, da es keine Möglichkeit gab, nach Curahuasi zurückzukommen. Bine Vogel vom Projekt „casayohana“ berichtete mir, dass eins von ihren betreuten Kindern zu diesem Zeitpunkt mit seiner Mutter in Lima war, um spezielle Untersuchungen durchzuführen. Auch sie konnten 5 Monate lang nicht zurück in ihr Heimatdorf.
Soziale Kontakte waren/sind gänzlich untersagt. Das heißt, es durfte niemand besucht werden (auch nicht eine Person pro Haushalt oder so). Diese Regel haben sie irgendwie vergessen aufzuheben und deshalb gilt sie bis heute. Monatelang wurde sie auch sehr, sehr streng eingehalten – jetzt jedoch nicht mehr. Besonders schlimm traf es natürlich Familien mit nur einem Kind.

Es gab keine öffentlichen Transportmittel. Es fuhren keine Taxis, keine Busse, weder nationale noch internationalen Flüge waren möglich. Flüge direkt aus Deutschland gab es kurz vor Weihnachten, diese wurden aber Anfang des Jahres wieder eingestellt (also ca. 1 Monat).

Das Mädchen ist den ganzen Tag gelaufen, damit es behandelt werden kann, da es keine Transportmittel gab.

Privatautos durften zuerst gar nicht genutzt werden, später mit einer speziellen Erlaubnis für den Arbeitsweg (passe laboral) für medizinisches Personal oder Menschen, die Lebensmittel verkaufen. Seit ca. Juli durfte das eigene Auto wieder benutzt werden und so konnten einige Familienangehörige zu diesem Zeitpunkt endlich nach Hause fahren. So zum Beispiel auch die Schwester einer Krankenschwester, die im März zu Besuch in Curahuasi gestrandet war.   

Private Autos dürfen nicht benutzt werden. Unser Freund kommt mit dem Pferd.

Das Haus durfte wirklich nur zum Einkaufen verlassen werden. Kinder durften das Haus gar nicht verlassen. Das bewaffnete Militär beaufsichtigte diese Maßnahmen. Es gab hohe Geldstrafen. Auch sportliche Aktivitäten oder Spaziergänge außerhalb des Hauses waren untersagt. Zum Beispiel wartete die Polizei oben am Berg, um dort Menschen einzusammeln, die sich nicht an die Verordnung hielten. Die Bestimmungen wurden ständig geändert. Die Quarantäne wurde immer in Zwei-Wochen-Schritten verlängert, was ein Planen extrem schwierig machte. Es durfte immer nur eine Person pro Haushalt einkaufen. Zeitweise gab es Vorschriften, dass nur Frauen oder nur Männer das Haus verlassen durften. (Das führte zu lustigen Meldungen, da die Frauen am Folgetag alles umtauschten, was die Männer am Tag zuvor falsch eingekauft hatten.) Die Polizei und bewaffnetes Militär bewachten diese Auflagen streng. Als ich einmal nach Monaten eine Missionarsfreundin beim Einkaufen traf, wurden wir SOFORT angehalten, uns voneinander zu entfernen und weiter zu gehen. Gespräche auf der Straße waren nicht erlaubt. Anfangs waren Lebensmittelgeschäfte nur bis Mittag auf, später bis 16 Uhr. Darauf folgten Ausgangssperren in der Nacht. Diese halten in immer wieder veränderter Form bis heute an. Derzeit gilt eine Ausgangssperre von 18-6 Uhr. Anton wollte einmal einen Klebstift kaufen, als er vom Militär aufgehalten wurde. Wenn er nicht sofort nach Hause gehe, käme er ins Gefängnis.

Bewaffnetes Militär überall.
Die Straßen werden mit Chlor desinfiziert.

Ab Juli durften die Kinder 30 Minuten im Umkreis von 500 Metern das Haus verlassen, später wurden es 60 Minuten, ab Dezember wieder uneingeschränkt. (Man überlege: von März bis Anfang Dezember!!!) Gut, dass wir einen Garten haben! Bis ungefähr Juni durften ausschließlich Lebensmittelgeschäfte geöffnet haben. Gegen Ende der ersten strengen Auflagen ließen sich die Ladenbesitzer einen einfachen Trick einfallen: so wurden vor den Geschäften einfach Lebensmittel angeboten, um das Öffnen des Eisenwarenladens oder Spielzeugwarenhandels zu ermöglichen. Diese Methode haben sich die überlebenswilligen Ladenbesitzer bei der zweiten Quarantäne sofort zu Nutze gemacht. So haben jetzt so gut wie alle Geschäfte (in Curahuasi) auf. Man kann Brot beim Kosmetikladen kaufen, Zwiebeln im Spielwarengeschäft, Eier im Matratzengeschäft usw.


Einmal kam ein Junge zur Sprechstunde unseres Pädiaters. Der besorgte Vater fragte, ob der Junge vielleicht Vitaminmangel habe. Der Arzt nahm sich viel Zeit und fand heraus, dass der Vater alleinerziehend war. Irgendwann konnte der Vater wieder arbeiten. Der Medienkonsum stieg durch die Quarantäne extrem. Der 12jährige blieb den ganzen Tag allein Zuhause eingesperrt und fing an, sich die Haare auszureißen.

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