Dieses Mal hatten wir das Privileg, einige Patienten auch Zuhause zu besuchen. Am Donnerstag brachen wir zum ersten „Hausbesuch“ auf.
Den 4 Jahre alten Jungen kannten wir von unserem letzten Einsatz gut. Wir hatten ihn mit starken Krampfanfällen kennengelernt. In der Zwischenzeit war er zwei Mal im Hospital Diospi Suyana medizinisch vorstellig geworden, um krampflindernde Medikamente zu erhalten. Beide Male hatte der Junge auch Ergotherapie (von mir), Logopädie (von Nelli) und Physiotherapie (von einer peruanischen Kollegin) bekommen. Da er nun weitgehend krampffrei ist, freuten wir uns, seine ersten Fortschritte zu sehen.
Der Junge lebt mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder bei der Oma. Der Vater lebt mit einer anderen Frau zusammen. Leider ist das in Peru sehr häufig, besonders wenn die Kinder behindert sind. Auf dem selben Hof leben noch viele weitere Geschwister mit ihren Familien. Wir wurden freudig erwartet und herzlich willkommen geheißen. Mariluz* führte uns sogleich in die Küche, in der es schon lecker nach Kartoffeln und Fleisch duftete. Zur Feier des Tages hat die junge Mutter in der Früh ein paar Meerschweinchen für uns geschlachtet und war nun dabei, sie auf dem Holzofen für uns zuzubereiten. Eine große Ehre.
Vorsichtig schaute ich mich in der dunklen Küche um. Die Wände bestanden aus adobe (Lehmziegel), der Boden aus gestampfter Erde. Das einzige kleine Fenster war mit Lehmziegeln zugebaut worden. In einer Ecke stand der Holzofen mit dem offenen Feuer, daneben der Tisch. An der Wand hing ein Beutel mit den Fischen, die auf dem Markt gekauft worden waren. Somit war er für potenziell interessierte Tiere unerreichbar. Vor dem Ofen in einem Buggy saß der kleine Ronaldo*. Nah am Feuer mit einer Decke warm eingewickelt. Die Kleidung, die er trug, erkannte ich wieder, da sie ihm von Bine Vogel bei unserem ersten Besuch überreicht worden war.
Überall in der Küche liefen Meerschweinchen in den verschiedenen Größen herum, im Dachgiebel saß eine Taube, zwei Katzenbabys wärmten sich am Feuer und die Katzenmama sprang über das bereitgelegte Brennholz.
Auch das Schlafzimmer der jungen Mutter war total dunkel. Eine Matratze auf dem Boden diente als Schlafplatz für sie und den jüngeren Sohn. Ronaldo hatte von CasaYohana ein Reisebett geschenkt bekommen. In diesem lagen auch die gespendeten, kuscheligen Decken.
Der ganze Hof war voll mit Erde und Lehm, Hühner und Schafe liefen überall frei herum und hinterließen ihre „Rückstände“. In einigen Ecken stapelten sich Unrat und Gegenstände, die eventuell noch einmal gebraucht werden könnten. Ein trostloser Anblick.
Wir wurden zum Essen eingeladen. Das Meerschweinchen schmeckte wirklich köstlich und auch die selbst angebauten Kartoffeln waren sehr lecker. Kartoffelschalen und Knochen warfen wir unter den Tisch. Sofort waren sie in den Mägen der Katzen und Meerschweinchen verschwunden.
Für mich war dieser Besuch sehr wertvoll. Zum einen ist es gut zu wissen, aus welchen Umständen die Menschen zu uns ins Krankenhaus kommen, um ihre Situation etwas besser zu verstehen. Zum anderen bin ich achtsamer geworden, welche Tipps und Therapievorschläge ich für zu Hause gebe. Vieles ist nämlich gar nicht für die Familien umsetzbar, wenn sie aus Lebensumständen wie diesen kommen.
* Name geändert